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Podcast & Blog 

  • 1. Juli 2024
  • 3 Min. Lesezeit

Zwei Figuren prägen das Bild in Venezuela: Simón Bolívar und Hugo Chávez. Der staatlich betriebene Personenkult ist so allgegenwärtig, dass man ihn kaum noch wahrnimmt. Eine kleine Rundreise durch die absurde Welt der venezolanischen Propaganda.


Er sieht dich. Egal wo du bist, egal was du tust. Diese Botschaft will uns die sozialistische Regierung einprägen. Die stilisierten Augen von Chávez, dem ehemaligen Präsidenten von Venezuela, dienten ursprünglich als Wahlkampfwerbung im Jahr 2012. Die Anhängerinnen und Anhänger von Hugo Chávez trugen dieses Symbol auf T-Shirts oder Fahnen.


Als Chávez kurz darauf starb und sein Freund Nicolás Maduro Präsident wurde, ordnete Maduro an, dass diese Augen das ganze Land zieren sollten – auf Plakaten, an Mauern, an Wohnblöcken. Das gelang ihm: Es gehört zu den meistverbreiteten Symbolen im Land.



Maduro wollte signalisieren: Euer Chávez ist da, mit mir, neben mir. Überall. Als Maduro an die Macht kam, versuchten die Chavisten alles, den verstorbenen Chávez irgendwie auf Maduro zu übertragen. Allerdings wirkt Maduro im Vergleich zu Chávez eher langweilig, mit wenig Charisma, etwas holpriger in seinen Reden, wenig einnehmend und aufgesetzt. Während Chávez in seinen sonntäglichen 11-Uhr-Fernsehansprachen “Aló Presidente!” bis zu sechs Stunden gegen den Kapitalismus wetterte, schafft es Maduro am Sonntagabend oft nicht einmal auf zwei Stunden.


Er ist weniger impulsiv als Chávez und schafft keine Nähe zum Publikum. TV-Zuschauer konnten bei Chávez direkt in die Sendung anrufen und ihm mitteilen, wenn ihnen das Maismehl ausgegangen war.


Maduro tut das nicht. Er ist wenig impulsiv; nur am Ende seiner Fernsehübertragung wird er etwas lauter und beendet die Show mit “Hasta la victoria siempre!” - Immer bis zum Sieg, der Schlusssatz eines Briefes von Ernesto “Che” Guevara kurz vor seinem Tod.


Auch die Anti-Kapitalismus-Tiraden, die Chávez gebetsmühlenartig durch den Äther schickte, sind unter Maduro weniger geworden.




Sonntag für Sonntag predigt Maduro über Chávez, als würde Chavez gleich den Raum betreten und die Präsidentschaft erneut übernehmen.


Dass Chávez selber den Personenkult um sich vorangetrieben hat, zeigt schon sein Grundsatzprogramm der sozialistischen Einheitspartei Venezuelas aus dem Jahre 1999: Dort wird Chávez Namen 13 Mal genannt, wie das Ibero-Amerikanische Institut in Berlin nachgezählt hat. Öfters als seine ideologischen Vorbilder Fidel Castro oder Karl Marx.


Der Personenkult um Chávez nimmt auch groteske Züge an: An bestimmten Orten ist es gar verboten, Chávez (und Maduro) zu kritisieren:




Grotesk wird es auch für die Zuschauerinnen und Zuschauer des staatlichen Fernsehsenders VTV (Venezolana de Televisión). Seit dem Machtantritt von Hugo Chávez ist der Sender komplett in der Hand der Regierung. Wer den Sender längere Zeit konsumiert, bekommt den Eindruck, dem Land gehe es prächtig. Es ist von einer prosperierenden Wirtschaft die Rede (Mittwoch ist immer der „Miércoles Productivo“), von komplett neu errichteten Straßenzügen. Zu sehen sind lachende Menschen, die in die Kamera winken. Die 95 Prozent der Menschen, die kaum etwas verdienen und unter der Armutsgrenze leben, werden in keiner Sendung erwähnt.


Sollte die miserable Wirtschaftslage dennoch thematisiert werden, wird meist von einem „guerra económica“ gesprochen, einem Wirtschaftskrieg mit der kapitalistischen Welt. In Wahrheit befindet sich Venezuela in einer wirtschaftlichen Rezession, die nichts mit einem Krieg zu tun hat. Dennoch wird betont, dass man auch diesen „Krieg“ meistern werde.


Dass Venezuela ständig vorgibt, sich im Kampfmodus zu befinden, zeigt auch die Trickfilmserie, die abends vor dem Kinderprogramm ausgestrahlt wird. “Superbigote” heißt diese Serie. Der Superbigote ist kein Geringerer als Nicolás Maduro, der als Superman das venezolanische Volk vor dem Einfluss des damaligen US-Präsidenten Donald Trump rettet (Trump kommt dort noch immer vor, auch heute noch).








 
  • 1. Juli 2024
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 31. Juli 2024

Am 28. Juli wird in Venezuela der neue Präsident gewählt. Der Machthaber Nicolás Maduro will die Wahl gewinnen. Maduro selber regierte das Land bisher mehr schlecht als recht. Ihm gegenüber steht ein weitgehend unbekannter Diplomat. Seine Chancen gewählt zu werden sind dennoch intakt. Aber egal wie die Wahl ausgeht: Dem Land steht die wohl grösste Krise der letzten Jahre bevor.



Der Knall folgte im Jahr 2018, als Venezuela die grösste Wirtschaftskrise seiner Geschichte erlebte. Vom reichsten Land Lateinamerikas wurde es zum ärmsten.


In diesem Jahr erreichte die Hyperinflation ihren Höhepunkt, die Wirtschaft schrumpfte drastisch, und von einem Tag auf den anderen leerten sich die Regale in den Supermärkten. Die Menschen hatten nichts mehr zu essen oder beschränkten sich auf Arepa – ein Pfannkuchen aus Maismehl. In den Krankenhäusern fehlten die Medikamente und bald auch die Ärzte.


Laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) erreichte die Inflationsrate 2018 schwindelerregende 1.000.000 %. Bis Ende 2016 hatte Venezuela mehr als 30% seines BIP innerhalb von drei Jahren verloren.


Die Krise führte zu einer massiven humanitären Notlage und einer grossen Auswanderungswelle. Seit Beginn der Krise haben über 7,7 Millionen Menschen das Land verlassen. Eltern verliessen das Land, um eine neue Heimat zu suchen, deren Kinder blieben bei den Grosseltern. Diese konnten ihre Enkelkinder nicht mehr ernähren - die Kinderheime platzen auch heute noch aus allen Nähten.


„Wir konnten das Haus nicht mehr verlassen. Es war die schlimmste Zeit meines Lebens“

Die Gewaltdelikte auf den Strassen waren Alltag. „Wir konnten das Haus kaum noch verlassen. Wer Geld von der Bank abheben wollte, wurde direkt hinter der Ausgangstür der Bank überfallen“, sagt Juan*, ein 32-jähriger Venezolaner. „Es war die schlimmste Zeit meines Lebens.“


Das erdölreichste Land der Welt konnte sein Öl nicht mehr fördern. Den Menschen fehlte es an allem.


Die Parlamentswahlen im selben Jahr waren ein Abbild der gesamten Situation: Sie endeten in einem Fiasko für die Opposition. Maduro zeigte der Welt, dass er der rechtmässige Präsident sei, koste es, was es wolle.


Seit über zehn Jahren führt Maduro das Land. Nicht mit eiserner Hand; dafür ist er zu schwach. Seine Gefolgschaft, die sogenannten Chavistas (Anhänger von Hugo Chávez, der Maduro als seinen rechtmässigen Nachfolger bestimmt hatte), lenkt, wohin die Reise des Landes geht.


Einladungen der Regierung erfolgen per Whatsapp.

Das tun sie übrigens nicht mit einem geordneten Jahresplan. Der Plan wird von Woche zu Woche bestimmt, und Entscheidungen fallen meist innerhalb weniger Stunden. Entsprechend chaotisch funktioniert auch der Miraflores-Palast, der Regierungssitz von Nicolás Maduro. Neue internationale Botschafter, die frisch ins Land kommen und protokollgemäß vom Präsidenten empfangen werden sollen, erhalten oft wenige Stunden zuvor ihr Aufgebot – per WhatsApp. Oft wird dieses Aufgebot zehn Minuten vor dem Termin annulliert.


Wer den Grund erfahren will, muss einfach den Fernseher einschalten oder Instagram öffnen: Dort sitzt Maduro in seiner Livesendung und redet über die Wirtschaft und darüber, dass das Land auf gutem Wege sei – täglich grüsst das Murmeltier.


Drei Szenarios nach den Wahlen

Die Wirtschaft im Land hat sich seit 2018 nur leicht erholt, auf einem niedrigen Niveau, auch dank der Lockerung einiger weniger Sanktionen der USA. Wer hingegen durch die Strassen der Hauptstadt Caracas fährt, könnte meinen, dass es mit dem Land aufwärts geht: Die Markierungen in den Strassenzügen wurden erneuert, Wände entlang der Autobahn neu bemalt. Das ist natürlich ein immerwährender psychologischer Kniff der Regierung: Neu bemalte Strassenzüge vermitteln den Bürgerinnen und Bürgern den Eindruck, dass es dem Land besser geht, was natürlich nicht der Realität entspricht. Das Land steht nach wie vor schlecht da. Unter diesen widrigen Umständen soll also ein neuer Präsident gewählt werden.


Unter diesen Umständen ist die Hoffnung vieler Venezolanerinnen und Venezolaner gross, dass sich etwas ändert. Die Lage ist angespannt – sowohl beim Regime als auch bei der Opposition. Für die Opposition ist die Zeit günstig, jetzt etwas zu ändern.


Die aussichtsreichste Kandidatin, María Corina Machado, darf nicht kandidieren. Alle anderen Kandidaten sind entweder nur eine Scheinopposition oder haben schlicht keine Chance. Kaum jemand macht Wahlkampf, weil sie das Feld Maduro überlassen wollen.


Nun konnte María Corina Machado einen Platzhalter auf die Liste schmuggeln: Edmundo Gonzalez, 74, ein ehemaliger Diplomat. Ein ruhiger, besonnener Mann, der bisher kaum bekannt war. Auch die Regierung hatte ihn überhaupt nicht im Fokus, weshalb sie von seiner Kandidatur komplett überrascht wurde. Wobei man auch sagen muss: Selbst Gonzalez scheint bis jetzt nicht wirklich realisiert zu haben, dass er auf der Liste steht.


Wie reagiert also das Regime? Grundsätzlich muss gesagt werden: Die Wahlen sind nicht fair. Maduro hat alle Möglichkeiten, die Wahlen zu manipulieren; so auch das Resultat (die Wählerinnen und Wähler wählen im Wahllokal „online“, also via Wahlmaschine. Die Wege, die diese Resultate nehmen, sind unergründlich und manipulierbar; Wahlbeobachter sind keine zugelassen).


Maduro könnte…


• …die Wahlen zu seinen Gunsten manipulieren und an der Macht bleiben.

• …die Wahlen gewinnen und alles bleibt wie es ist. Die Opposition wird festgenommen oder muss

das Land zu verlassen.

• …die Wahlen verlieren, das Resultat akzeptieren und die Macht an die Opposition übergeben

(unwahrscheinlichstes Szenario).

• …die Wahlen verlieren, sie für ungültig erklären und aufgrund „aufgetretener

Unregelmässigkeiten“

eine Wiederholung zu einem späteren Zeitpunkt anordnen (wahrscheinlichstes Szenario).

• …die Wahl kurz davor annullieren, da sich das Land im Kriegszustand befinde. Seit Jahren streitet

Venezuela mit dem Nachbarland Guyana um dessen Landesteil „Essequibo“.

• …die Wahl verlieren, sich jedoch mit der Opposition überwerfen und die Macht erneut

übernehmen.


Egal wie die Wahlen ausgehen, das Land wird in eine grössere Krise stürzen als je zuvor. Denn selbst wenn die Opposition die Macht übernimmt, wird es eine Herkulesaufgabe sein, das Land wirtschaftlich wieder aufzubauen. Ganz zu schweigen von den tausenden Chavistas, die sich nicht einfach der Opposition anschließen werden. Hinzu kommt das Militär, das bisher zu Maduro gehalten hat. Es muss beruhigt und auf Opposition getrimmt werden. Die Zahl der Arbeitslosen (und nicht mehr in der Regierung sitzenden) Menschen wird in die Höhe schnellen.


Die Wirtschaft wird sich nicht schnell erholen, weshalb das Vertrauen in die Opposition schwinden wird.

Und was passiert mit Maduro und seiner nahen Gefolgschaft? Wird er das Land verlassen und nach St. Vincent oder Russland auswandern? Selbst wenn Maduro die Wahl gewinnt: Die USA wird (unter Trump?) die Sanktionen verschärfen, Maduro wird sich weiter abschotten und das Land härter regieren. Millionen von Menschen werden das Land verlassen.


Die Zeiten werden nicht einfacher. Möglich ist, dass Maduro wiedergewählt wird. Wie mir kürzlich eine Venezolanerin aus dem Mittelstand erklärte: Ja, die Zeiten seien schwierig. Aber sie habe sich arrangiert und in den Wirren dieser wirtschaftlichen Lage eine eigene Arbeit aufbauen können, sie habe eine Nische gefunden. Darum werde sie Maduro wieder wählen, obwohl sie seine Regierung missachtet. „Wenn die Opposition an die Macht kommt, wird alles einstürzen, auch meine Arbeit.“


*Namen geändert


  • 18. Dez. 2023
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 5. Aug. 2024

In Venezuela, einem Land der krassen Gegensätze, gibt es neben viel Armut auch eine Schicht von Superreichen. Diese High Society liebt es, mit pompösen "Megarrumbas" zu prahlen. Bei einem solchen Event kam es jedoch zu einer skurrilen Wendung, die das rücksichtslose Verhalten einiger regierungsnaher Bürger offenbarte.


Samstag, 5. Februar 2022, Nationalpark Canaima.






Stellen Sie sich Canaima vor, ein atemberaubendes UNESCO-Weltnaturerbe im Süden Venezuelas, das wie eine perfekte Kulisse für einen Westernfilm wirkt. Dort findet man La Gran Sabana, ein Hochplateau mit uralten Wäldern, kargen Landschaften und markanten Bergen. Ein Highlight ist der Salto Ángel, der höchste Wasserfall der Welt.


Der Kusari Tepuy im Hintergrund. (Foto: Rouven Born)



Dieses abgelegene Paradies ist nur per Flugzeug erreichbar, wobei die Landebahn praktischerweise neben einem Hotel liegt, das von Freunden der Regierung geführt wird.


Rafael Oliveros, von aussen ein bescheidener Mann mit einer rauen Stimme, entschied, seinen 50. Geburtstag genau dort zu feiern. Als ehemaliger Innenarchitekt und jetziger Tourismusmogul, berühmt für seine Fähigkeit, extravagante Partys an ungewöhnlichen Orten zu schmeissen, wählte er den heiligen Berg Kusari Tepuy für seine Feier aus. Zu diesem exklusiven Event wurden etwa 30 Gäste eingeladen, darunter Finanzgurus, Geschäftsleute und sogar eine Journalistin. Meistens Leute, die der Regierung nahe stehen, oder gar in der Regierung sind.


Die Party selbst war ein Meisterwerk der Organisation. Der heilige Berg im Naturreservat wurde auserkoren, und um den unwegsamen Ort partytauglich zu machen, schüttete man kurzerhand Sand auf. Die Gäste, gekleidet in Smokings und Abendkleider, wurden in mehreren Helikopterflügen zum Berg transportiert, was pro Person ca. 2000 Dollar kostete.


Hielt sich nicht an die Kleiderordnung:

Osmel Souza, ehemaliger Präsident der "Miss Venezuela Organization"

postet die aussergewöhnliche Reise auf Instagram



Beim Dinner gab es Champagner, Fondue und Gulaschsuppe – wobei das Fondue in der kühlen Nacht zu einem etwas klumpigen Vergnügen wurde, schrieb eine Partybesucherin auf Instagram. Übernachtet wurde stilvoll in Zelten.


Und wie es sich für eine Party mit Influencern gehört, dauerte es nicht lange, bis die ersten Selfies und Gruppenfotos in den sozialen Medien auftauchten.


Die Umweltorganisation SOS Orinoco kritisierte das Fest prompt auf Twitter als respektlos gegenüber der Natur.





Dann wurden Medien auf den Fall aufmerksam, die Fotos gingen viral:



Eine Auswahl aus spanischsprachigen Onlinezeitungen.




Bei Tag sah das mit Sand aufgeschüttete Lager so aus:





SOS Orinoco schreibt:


"Ein derartiger Vorfall (...) ist nicht nur ein Verstoss gegen die Rechtsstaatlichkeit, sondern auch ein Affront und ein Schlag ins Gesicht der Würde und der Ehre des gesamten venezolanischen Volkes, insbesondere in einem so tragischen Zeitpunkt für das Land, das sich inmitten einer komplexen humanitären Krise befindet, die von allen internationalen Organisationen anerkannt wird."


So zeigt dieser Vorfall nicht nur die Extravaganz einiger reicher Venezolaner, sondern auch, wie wenig manche Menschen Rücksicht auf die Umwelt nehmen, selbst in einem so geschützten und heiligen Ort wie Canaima.


Der Regierung ist das offensichtlich peinlich. Anfangs wurde der Vorfall noch heruntergespielt. Da sich aber immer mehr internationale Zeitungsblätter für den Fall interessierten, will nun die Staatsanwaltschaft den Vorfall untersuchen.


Man könnte meinen, dass der Staat zwar vorgibt, den Vorfall zu untersuchen, um ihn dann ins Leere laufen zu lassen. Muss es aber nicht: Da sich der Staat immer wieder mit dem UNESCO-Label rühmt, könnte der Vorfall tatsächlich zu einer Verurteilung führen.


Die Naturschutzorganisationen prangern immer wieder an, dass im Nationalpark illegale Goldminen betrieben werden - auch im Auftrag des Staates. So könnte eine Verurteilung von der tatsächlichen Problematik ablenken.


Dass es nun zur Verurteilung kommt, scheint wenig plausibel. Der Fall ist bereits über ein Jahr alt, passiert ist noch nichts. (Stand 2024: Der Fall wurde bis jetzt noch nicht beurteilt)

 
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